Teil der Stadt geworden - LG Zug

Teil der Stadt geworden


History Points auf dem Areal

Text: Dr. Michael van Orsouw

Der einstige LG-Hochbau steht nicht mehr stolz und allein auf der grünen Wiese, sondern in einem verdichteten, urbanen Raum mit anderen Bauten. Das hat entwicklungsgeschichtlich mehrfach seine Richtigkeit. Denn die dort untergebrachte Stadtverwaltung will dienen, nicht repräsentieren.

Plötzlich ging es ruckzuck. Die Besitzerin des einstigen LG-Hochbaus, die Siemens Schweiz AG, wollte das Gebäude verkaufen. Dann gingen Verhandlungen und Verkauf in Rekordzeit über die Bühne. Im Juni 2012 unterbreitete die Stadt der Siemens ein Verkaufsangebot, im Juli war die Siemens damit einverstanden, obwohl die Stadt nicht das Höchstangebot abgegeben hatte. Trotz Sommerferien stimmte das Stadtparlament dem Handel zu, ebenso die Stadtzuger Bevölkerung in einer Volksabstimmung im September 2012. Die Stadt Zug bezahlte für das Gebäude mit seinen 9000 Quadratmetern Nutzfläche auf sieben Etagen 52,2 Millionen Franken.

Ein erhebender Moment: Aus dem einstigen LG-Hochbau wird durch die neue Beschriftung das Stadthaus von Zug. (Bild: Stadt Zug, Kommunikation)

Zuvor war die Stadtverwaltung auf sechs Gebäude in der Stadt verteilt, so dass die Zusammenarbeit nun einfacher würde und auch finanziell Vorteile bringe. Innerhalb von zwei Tagen im Juli 2019 fand der Umzug statt, «ein Kraftakt», meinte Stadtschreiber Martin Würmli damals. Was interessant ist: Durch die Zusammenlegung der Verwaltung sank der Raumbedarf der Stadtverwaltung um 1700 Quadratmeter auf 6250 Quadratmeter – die Zentralisierung brachte schon rein numerisch Synergien, von der einfacheren Kommunikation ganz zu schweigen. Die drei Geschosse, welche nicht von der Stadt beansprucht werden, sind überdies fremdvermietet und spülen einen siebenstelligen Mietertrag pro Jahr in die Stadtkasse.

Der Geist der Industrieproduktion ist hier noch immer spürbar. Bis heute hat er einen positiven Einfluss auf das Wirken im Stadthaus.

Dr. Karl Kobelt, Stadtpräsident

Die Ausbauten und der Umzug kamen nochmals auf 6,6 Millionen Franken zu stehen. Die Gebäudestruktur blieb erhalten wie zu Zeiten der Landis & Gyr. Denn die einfache Skelettkonstruktion aus Eisenbeton ermöglichte flexible Raumgrössen, je nach Wunsch Grossraumbüros oder kleinräumige Zellenstruktur. «Das Verrückte an dieser Liegenschaft war», so Architekt Enzo Cozza vom Zuger Architekturbüro Hegglin Cozza, «mit diesem Gebäude kann man fast alles machen, dank seiner einfachen, flexiblen Struktur.» Allfällig zu stellende Innenwände fanden bestens zwischen den hochrechteckigen Fenstern Platz, was die Kosten im Rahmen hielt. Nur geringfügige Anpassungen beim Innenausbau, bei den Sanitäranlagen und der IT-Infrastruktur schlugen zu Buche. Dabei kam immer wieder die Geschichte der Vornutzungen zum Vorschein. Nehmen wir ein typisches Beispiel. Die Landis & Gyr hatte die Tochterfirma Inducta, welche Werks- und Stempeluhren herstellte. Deshalb läuft gut sichtbar an der Südfassade eine Inducta-Uhr, aber auch im ganzen Verwaltungsgebäude waren solche Werksuhren verteilt, eine mit der typischen Blechumrandung hängt heute im Empfangsbereich, eine andere in der Cafeteria, eine weitere im Stadtratssaal. Das Besondere an den Inducta-Uhren: Sie laufen absolut synchron, weil ein zentrales Uhrwerk in der so genannten Mutteruhr die Zeitsignale ohne Fremdspeisung oder Batterie zu den Tochteruhren überträgt. Als die Stadt Zug 2012 das Gebäude übernahm, war schnell klar, dass dieses spezielle Uhrensystem erhalten werden sollte. Seither geben die Inducta-Uhren im Stadthaus den zeitlichen Takt vor.

Historische Inducta-Uhr an der Südfassade des Gebäudes. (Bild: Stadt Zug, Andreas Busslinger)
Hier entscheidet der Stadtrat über das Schicksal der Stadt: im Beisein einer historischen Inducta-Uhr. (Bild: Stadt Zug, Andreas Busslinger)

Die Sitzungszimmer der Stadtverwaltung im Erdgeschoss tragen Städtenamen, die mit einstigen Mitarbeitenden der Landis & Gyr in Zusammenhang standen. So heisst beispielsweise einer der Räume SALERNO. Dort stand einst eines der LG-Auslandwerke, und der Name erinnert an eine Hilfsaktion von 1980: Damals zerstörte ein Erdbeben die süditalienische Region, und 167 Mitarbeitende der Landis & Gyr waren davon betroffen; eine grosse Sammelaktion konnte das Schlimmste lindern.

Die Sitzungszimmer haben thematisch begründete Namen: hier der Raum Salerno. (Bild: Stadt Zug, Andreas Busslinger)

Auch sonst hat die Geschichte vor Ort inspiriert. Zum einen konnten die Mosaikfliesen im Treppenhaus erhalten werden. Mehr noch: Das kleinteilige Mosaik lieferte die Grundlage für die felderartige Beschriftung und Signaletik im ganzen Haus – die Hinterlassenschaft auf dem Boden lebt also im Alltag der Stadtverwaltung weiter.

Ebenso war es die Landis & Gyr, welche in der Kantine Ausstellungen mit namhaften Kunstschaffenden veranstaltete, nach dem Motto: Kultur gehört zum Leben, auch für die Angestellten. In diesem Sinne hat die Stadtverwaltung das Stadthaus zum Kunsthaus gemacht, mit einer kuratierten Ausstellung mit Werken der Zuger Sammlung in den Gängen und gezielten, neu erstellten künstlerischen Interventionen. Hier wurde, durchaus im Geist der LG-Patrons, nicht «Kunst am Bau» verwirklicht, sondern «Kunst im Bau»!

Das Prunkstück, welches den Bezug zur hauseigenen Geschichte klar macht, befindet sich schliesslich in der Cafeteria im Erdgeschoss des Gebäudes. Dort hat die Stadt in der Eingangsecke ein kleines Zählermuseum eingerichtet, als «Hommage an den früheren Verwendungszweck des Gebäudes», wie es heisst. Stadtpräsident Dr. Karl Kobelt, von der Ausbildung her Historiker, zeigt sich ganz begeistert: «Der Geist der Industrieproduktion ist hier noch immer spürbar. Bis heute hat er einen positiven Einfluss auf das Wirken im Stadthaus.»

Die Erinnerung an die Geschichte des Ortes bleibt: die Ausstellungsecke in der Cafeteria. (Bild: mvo)

Wenn wir schon von der Geschichte reden: Seit dem Bau des Gebäudes in den Kriegsjahren 1942/43 hat sich die Umgebung massiv verändert. Die Stadt hat sich vom Zentrum in der Altstadt nach Norden bewegt, in Richtung Metalli, LG-Areal und Herti-Quartier. Für den Hochbau der einst so dominanten Firma Landis & Gyr heisst das: Es entstanden verschiedene andere Bauten in der Nähe, am augenscheinlichsten ist der Parktower. Mit 81 Metern Höhe und 25 Geschossen steht er direkt vor dem LG-Hochbau, der jetzt nicht mehr «hoch» erscheint. Die einst grüne Wiese, aus welcher der LG-Hochbau emporragte, ist einem verdichteten, urbanen Raum gewichen. Das ehemals so selbstbewusste Verwaltungsgebäude ist kein Solitär mehr und dominiert nicht mehr die Szenerie, sondern steht, etwas aus der Zeit gefallen, irgendwo zwischendrin.

Das Stadthaus ist kein Solitär mehr wie der LG-Hochbau früher: Das passt zum Selbstverständnis der neuen Eigentümerin. (Bild: Stadt Zug, Andreas Busslinger)

Dass sich dort die Verwaltung der Stadt Zug niedergelassen hat, kann durchaus als Metapher gelesen werden: Die Industrie wurde minimalisiert, ihr Vorrang ist Teil der Zuger Geschichte. Dafür darf die öffentliche Hand den Standort erben, aber nur in der zweiten Reihe. Das entspricht dem Selbstverständnis einer öffentlichen Institution: Einst war die Landis & Gyr dominierend in Stadt und Kanton und hatte zuvorderst den entsprechend selbstbewussten Auftritt. Heute duckt sich die Stadtverwaltung im urbanen Dickicht und passt sich architektonisch und städtebaulich dem dienenden Charakter einer serviceorientierten Stadtverwaltung an.

Von der Stadtentwicklung her zeigt die Beschäftigung mit dem LG-Hochbau: Die Funktionsverschiebung vom prestigeträchtigen Hochbau zum Verwaltungsgebäude mit Kundenorientierung steht dafür, dass das LG-Areal Teil der Stadt geworden ist – das Gelände hat sein Eigenleben aufgegeben und ist in der Stadt angekommen.

Impressionen

Vor dem Umbau

Während dem Umbau

Nach dem Umbau