Zuerst war hier kaum besiedeltes Brachland, dann eine Fabrik auf der grünen Wiese und schliesslich einer der bedeutendsten Industriestandorte der Schweiz. Obwohl für die Öffentlichkeit lange Zeit nicht zugänglich, prägte das Areal der Firma Landis & Gyr das Gesicht der Stadt Zug – in der Vergangenheit und heute.
Die Elektrifizierung Ende des 19. Jahrhunderts veränderte die Welt. Mit dem Bau von Kraftwerken und Stromnetzen wurde es möglich, elektrische Energie zu transportieren. Die elektrische Beleuchtung brachte Licht ins Dunkel und der Elektromotor trieb die Maschinen der Industrialisierung an.
Entwicklung unter Strom
Für die Region Zug waren die Auswirkungen besonders gross. Der Grund war eine kleine Manufaktur, die 1896 von Richard Theiler und Adelrich Gyr-Wickart an der Hofstrasse gegründet wurde. Das «Electrotechnische Institut Theiler & Co.» produzierte Stromzähler, die Theiler selbst entwickelt hatte, und machte sich damit die rasante Verbreitung der Elektrizität zu Nutze. 1925 beschäftigte das Unternehmen bereits über 1000 Arbeitskräfte und war der grösste Arbeitgeber des Kantons Zug.
Unterdessen hatten Heinrich Landis und Karl Heinrich Gyr (dieser war nicht mit dem Gründer Adelrich Gyr-Wickart verwandt) die Firma übernommen, in Landis & Gyr umbenannt und später zu einer Aktiengesellschaft umgewandelt. Ausserdem gab es bereits erste Expansionsschritte ins Ausland. Und der Erfolg hielt an. Die Platzverhältnisse wurden zunehmend knapp und die Transportbedingungen auf der engen Hofstrasse bis zum Bahnhof waren schwierig. Eine neue Fabrik musste her.
Intensive Standortverhandlungen
Zahlreiche Standorte im In- und Ausland wurden geprüft. Die Anforderungen waren klar: Neben der Arealgrösse war vor allem die Erschliessung und die Anbindung an die Eisenbahn entscheidend. Eine Option war das Gebiet auf der Hertiallmend in Zug, innerhalb der heute nicht mehr existierenden Gleisschlaufe der SBB-Strecke Zug – Affoltern am Albis – Zürich. Dort besass Landis & Gyr bereits zehn Hektar Land, die allerdings nur für den Bau von Wohnungen und nicht für eine Fabrik genutzt werden durften.
Es folgte ein Machtspiel mit den Behörden, in dem der Industriekonzern zahlreiche Forderungen stellte und sich damit nicht überall beliebt machte. Doch schliesslich überwogen für die Regierung, die Korporation Zug sowie das Stimmvolk die Vorteile:
Landis & Gyr konnte zusätzliches Land kaufen, die Erschliessung wurde verbessert und die Umzonung realisiert. Der Konzern besass nun 23 Hektar Land auf der Hertiallmend – ein Gebiet, das grösser als die Altstadt war.
1928 erteilte der Stadtrat die Baubewilligung und rund ein Jahr später konnten die ersten Shedhallen bezogen werden. Danach folgten laufend neue Gebäude. Der Masterplan musste aufgrund der Krisenjahre in den 1930ern zwar zurückgestellt werden, doch in der Nachkriegszeit ging der Ausbau weiter. Bis 1971 das letzte grosse Gebäude, die neue Zählerfabrik im Norden des Areals, den Betrieb aufnahm, veränderte sich auch die Umgebung. Wo früher Wiesland war, dehnte sich die Stadt Zug zunehmend bis an das Industriegelände heran aus.
Von der verbotenen Stadt zum offenen Quartier
Unterdessen stehen die Fabriken still. Seit den 1980er Jahren veränderte einerseits die Digitalisierung den Fertigungsprozess und der Raumbedarf nahm massiv ab, andererseits verlagerte sich die Geschäftstätigkeit im Zuge zahlreicher Restrukturierungen und Besitzerwechsel ins Ausland. Damit entstanden neue Nutzungsmöglichkeiten für das Areal. Während Jahrzehnten war das Industriegelände für die Öffentlichkeit nicht zugänglich, nun öffnete die einst verbotene Stadt ihre Tore. Heute sind viele der alten Bauten verschwunden und neue Gebäude entstanden. 2018 wurde der Siemens Campus im nördlichen Teil des Areals eingeweiht. 2019 zog die Zuger Stadtverwaltung ins ehemalige Verwaltungsgebäude von Landis & Gyr. Und seit einem Jahr bringt der Freiruum mit seiner Zwischennutzung frisches Publikum in die alten Fabrikhallen.
In den nächsten Jahren wird das ehemalige Industriegebiet weiter transformiert. Es soll ein lebendiges Quartier entstehen mit Strahlkraft über die Stadtgrenzen hinaus. Eine zukunftsorientierte Antwort auf die Zeitgeschichte des Areals und eine Weiterentwicklung mit derselben kreativen und innovativen Kraft. Einmal mehr wandelt sich das LG-Quartier und prägt die Gestalt der Stadt – eine Chance für Zug und seine Bevölkerung.