Weiterbauen und bewahren - LG Zug

Weiterbauen und bewahren


Von Dr. Heinz Horat

Wenn auch in der zukünftigen Entwicklung des Projekts der Wille zum Weiterbauen und Bewahren erhalten bleibt, wird hier viel Gutes entstehen.

Die vorläufigen Ergebnisse der Neuplanungsphase auf dem ehemaligen Landis&Gyr-Areal sind vielversprechend. Das nun vorliegende städtebauliche Richtkonzept des Zürcher Architektenteams Christian Salewski & Simon Kretz Architekten, pool Architekten, Studio Vulkan und mrs partner setzt die hervorragenden Standortqualitäten des Areals (direkter Anschluss an einen internationalen Bahnhof, Zentrumsnähe, Naherholungsmöglichkeiten, gut erreichbare Bildungsangebote aller Stufen) vielschichtig in Szene. Einmal umgesetzt, wird auch die soziale Durchmischung dieses neuen Stadtquartiers als positiver Aspekt gewürdigt werden können.

Diese in die Zukunft weisende Ausgangslage ist nicht selbstverständlich, wenn man die Entwicklung des Areals Revue passieren lässt. Vor 100 Jahren war hier Streuland, Allmend mit zahlreichen Bächen und Sümpfen. Die Überbauung „Opus Zug“ an der Dammstrasse hat diese Geschichte schön umgesetzt. Dann kam die Landis & Gyr und baute 1929 eine Fabrik auf die Wiese. Sie breitete sich immer weiter aus und entwickelte sich rasant in die Höhe.

Landis & Gyr, Fabrik und Gartenstadt 1949

1932 bereits setzte ein firmeneigener Masterplan einen Hochbau mit neun Geschossen an die Dammstrasse, und ziemlich genau dort, wo heute das Hochhaus von Hans Kollhoff steht, war ein Büroturm mit 14 Geschossen geplant. Dann kamen die Krisenjahre, und es gab andere Prioritäten. Nach der weitgehenden Stilllegung der Fabrik war Umnutzung angesagt. Der 1996 publizierte Masterplan sah ein „homogenes städtebauliches Erscheinungsbild“ vor, die Bauhöhe wurde auf 25 Meter festgelegt. Das war im damaligen Kontext gesehen verständlich, heute haben sich die Rahmenbedingungen verändert.

Masterplan 1932 mit geplantem Hochbau mit neun Geschossen

Gerade im Kanton Zug ist der Siedlungsdruck sehr hoch. Aber auch die Forderungen nach Begrenzung der Bauzonen werden immer lauter vorgetragen. Beidem trägt das Richtkonzept Rechnung. Es erbringt den Nachweis, dass eine hohe Verdichtung auf dem Areal sinnvoll und möglich ist. Die Körnung und Positionierung der geplanten, unterschiedlich grossen Bauvolumina nimmt Rücksicht auf den Schattenwurf hoher Gebäude. Durch die Konzentration von viel Nutzung auf kleinen Grundrissen entstehen Freiräume, und, was sehr wichtig ist, es bieten sich Möglichkeiten, bestehende Gebäude, welche schon immer extensiv genutzt wurden, als solche zu erhalten. Zwei Shedhallen werden architektonisch die Erinnerung an die Fabrik aufnehmen, und der Fabrikbahnhof mitten auf dem Gelände, den das Siegerteam des Studienauftrags offensichtlich zu würdigen weiss, wird im wahrsten Sinne des Wortes „schräg in der Landschaft“ stehen. Dieses im heutigen Umfeld völlig anachronistische kleine Gebäude mit seiner geschwungenen Stahl-Glas-Front kann im Quartier eine wichtige soziale Funktion übernehmen, als „Meeting Point“, als „Ploderdächli“, wie es in Schwyz, Morschach oder Bauen genannt wird, als Ort, wo man sich trifft und plaudert.

Wenn auch in der zukünftigen Entwicklung des Projekts der Wille zum Weiterbauen und Bewahren erhalten bleibt, wird hier viel Gutes entstehen. Ob das ebenfalls erhaltene WTA-Gebäude am Zählerweg tatsächlich, wie geplant, gleich um vier Geschosse aufgestockt werden soll, oder ob diese Zusatznutzung wenigstens teilweise auf die umliegenden Neubauten verteilt werden kann, sei als Anregung gefragt.

Etwas aber ist sehr wichtig: Mit derselben Konsequenz, wie auf dem ehemaligen Landis&Gyr-Areal geplant und gebaut wird, muss auch die direkt angrenzende Gartenstadt in ihrer heute bestehenden Substanz geschützt werden. Verdichtung kann hier kein Thema sein, die hohen Qualitäten des Quartiers würden zerstört. Übergeordneter Städtebau muss die Auswirkungen der nun diskutierten Arealplanung auf die nahe und weite Umgebung prüfen und entsprechend folgerichtig reagieren. Denn die Gartenstadt darf im ganzen Prozess unter keinen Umständen unter die Räder kommen.

Dr. Heinz Horat ist Kunsthistoriker, ehemaliger Denkmalpfleger des Kantons Zug und Autor von «Die Fabrik in der Stadt – wie die Landis & Gyr Zug verändert hat».