Keine andere Wahl als Nachhaltigkeit - LG Zug

Keine andere Wahl als Nachhaltigkeit


Das LG-Areal kann nicht irgendwie gebaut werden – es muss hohe Qualität aufweisen, um ein Erfolg zu werden. Und das gleich auf mehreren Ebenen. Einer, der den Prozess der Enstehung eines neuen Quartiers von Anfang an mitgestaltet hat, ist der Architekt Roger Boltshauser.

Roger Boltshauser von Boltshauser Architekten war Mitglied der Fachgruppe, die den Studienauftrag begleitet hat. Im Interview erklärt er, was für den Erfolg des Städtebaukonzepts besonders wichtig war – und was nun wichtig werden wird.

Interview: Falco Meyer
Bild: Michael Artur Koenig

Wir wollen ein Quartier planen, welches einen Mehrwert für die Bevölkerung bietet.

Herr Boltshauser, Sie haben den Prozess zur Entwicklung des Richtkonzepts fürs LG-Areal in der Fachgruppe miterlebt. Wo sehen Sie die Knacknüsse, die schwierigen Fragen, die zu lösen waren?

Boltshauser: Eine ganz grosse Herausforderung stellte die hohe Dichte dar, welche angestrebt wurde und die es qualitätsvoll zu erreichen galt. Diese hatten die Eigentümer stets als Ziel gesetzt. Die verschiedenen Forderungen alle unterzubringen, war anspruchsvoll. Dazu mussten die Eigentümer zuerst einen gemeinsamen Nenner finden. Das war nicht nur einfach und brauchte Geduld von allen Seiten, ist aber gut geglückt. Es war für das Areal besonders wichtig, alle Beteiligten dafür gewinnen zu können, über die eigenen Grundstücksgrenzen hinaus flexibel zu denken, damit ein ansprechendes Gesamtareal dabei herauskommt. Da hat man einen guten Weg gefunden und das hat dem Projekt extrem gut getan. Den Projektwettbewerb hat man dann genutzt, um ein gemeinsames Verständnis aufzubauen und zu formulieren.

Wie haben Sie den Prozess erlebt?

Boltshauser: Es war ein ungewöhnlich offenes Verfahren: Die eingeladenen Autoren durften Einblick nehmen in die Strategien anderer Teams und konnten damit voneinander lernen. Dieses Verfahren ermöglichte, dass man hier ein Stück Stadt planen konnte, zu dem alle Beteiligten stehen können. Dass man so offen kommunizierte, war gerade deshalb so wichtig, weil man auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Eigentümer eingehen musste. Zudem weiss man heute, dass man nicht mehr im stillen Kämmerchen planen darf – sonst bekommt man die Rechnung später, wenn sich Bevölkerungskreise zum Bebauungsplan äussern, die man nicht zum Prozess eingeladen hatte. Ein offener Prozess wie hier im LG-Areal ist Voraussetzung dafür, dass das Projekt auch in der Bevölkerung auf offene Ohren stösst.

Wo sehen Sie die Qualitäten des vorliegenden Richtkonzepts?

Boltshauser: Die Aussenräume sind sehr gut gestaltet und sinnvoll integriert, auch mit informellen Plätzen und Situationen. Viele Bestandesbauten, so etwa der alte Bahnhof, wurden einbezogen, die Identität des Quartiers bleibt damit erhalten. Es gibt eine klare Gliederung vom Stripe (A.d.R.: räumlicher Bereich ab Gubelstrasse entlang der Dammstrasse gleisseitig) bis zu den Hochhäusern am Gleis. Die Höhe ebendieser wurde gut gewählt: Sie sind nicht zu dominant, sondern bilden eine moderate, leicht abfallende Silhouette. Es gibt somit eine klare Hierarchie, die das Areal gut einbettet.

Welche Chancen sehen Sie im LG-Areal – was kann das Areal für die Stadt Zug bieten?

Boltshauser: Ganz wichtig ist, dass man hier an einem lebenswerten Stück der Stadt Zug arbeitet. Es soll ein Stadtteil werden, welcher der Bevölkerung ein Angebot mit Aufenthaltsqualität und guter Anbindung an den öffentlichen Verkehr bietet. Zudem ist wichtig, dass es für viele zahlbar wird hier zu wohnen oder zu arbeiten. Das geht einher mit der grossen Dichte – und das ist ein guter Weg für eine Gesellschaft, die nachhaltiger werden möchte. Wenn man hier im Zentrum der Stadt so dicht hochwertigen, zahlbaren Wohn- und Arbeitsraum anbietet, dann verkürzen sich die Wege, es braucht weniger motorisierten Individualverkehr. So ist es möglich, hier auch ohne Auto autark zu sein – das ist wesentlich nachhaltiger, als irgendwo auf dem Land Einfamilienhäuser zu bauen, von denen aus dann alle mit dem Auto zur Arbeit fahren müssen. Und hier auf dem LG-Areal ist die Dichte am richtigen Ort: Es ist unglaublich gut an den ÖV und ans Stadtzentrum angeschlossen.

Es ist wesentlich nachhaltiger, mehr Wohnraum auf weniger Boden zu bauen, statt in die freie Fläche auszuschwärmen.

Wie kann beides erreicht werden; das LG-Areal gleichzeitig sehr dicht bebauen und trotzdem grosse Aufenthaltsqualität bieten?

Boltshauser: Im Moment ist Dichte etwas verpönt, wir erleben eine neue Landflucht. Gleichzeitig ist es wesentlich nachhaltiger, mehr Wohnraum auf weniger Boden zu bauen, statt in die freie Fläche auszuschwärmen. Dazu muss sich der neu gebaute Wohnraum allerdings auch an Nachhaltigkeitskriterien orientieren. Und da ist heute viel mehr vorstellbar und möglich als früher: Gerade plant die Pensionskasse der V-Zug ein Holzhochhaus in Zug und unser Büro plant auf dem Areal Zwhatt in Regensdorf ebenfalls ein solches. Solche Überlegungen würden auch dem LG-Areal gut anstehen. Es gibt ja auch Ideen, die in diese Richtung gehen. Unter anderem soll auf dem LG-Areal viel um- und zwischengenutzt werden, was auf jeden Fall ein guter Weg ist. Es wäre den Bauherren zu wünschen, dass sie den Nachhaltigkeitsgedanken weiterverfolgen und auch in der Architektur stark gewichten.

Nun ist hohe Dichte ja auch für Investoren besonders attraktiv. Wie gelingt der Spagat zwischen einer lebenswerten Quartiergestaltung und einer finanziell erfolgreichen Arealüberbauung?

Boltshauser: Natürlich kann man behaupten, das werde alles nur der Rendite wegen gemacht. Dem ist aber nicht so: Wir wollen ein Quartier planen, welches einen Mehrwert für die Bevölkerung bietet. Ich glaube, nur letzteres hat an der Urne eine Chance. Es muss spürbar sein, dass man nicht alles zubauen will, sondern dass es grosszügig genutzte Freiräume gibt, dass alte Bestandsbauten integriert werden, dass spannende Nutzungen in günstigen Erdgeschossen stattfinden können, die über andere Mieterträge querfinanziert werden. Mehrwert kann man auch schaffen, indem man nachhaltige Strategien verfolgt und mehr Energie produziert als man nutzt, indem man für die Biodiversität auf dem Areal sorgt. Ganz wichtig werden hier die Aussenräume sein, die sich um ein gebautes Zentrum herum entwickeln müssen. Zentral ist auch der Einbezug der Bestandesbauten, das ist eine Frage der Identität. Und dann wird es ausschlaggebend, dass das öffentliche Leben vom Areal Besitz ergreift, wofür die Anbindung an den Bahnhof, aber auch die städtebauliche Gestaltung des Areals von Bedeutung sind. Das wird ein Challenge bleiben, bis das Areal gebaut ist. Ich denke, es bleibt deshalb gar keine andere Wahl, als das Areal nachhaltig aufzustellen. Wenn man sich diese Fragen nicht stellt, stellen sie die anderen – das Autorenteam etwa hat ein schönes Grünraumkonzept verfasst und auch die Stadt spielt da als Verhandlungspartnerin eine wichtige Rolle.

Für die Stadt Zug ist das eines der ganz grossen Verdichtungsprojekte. Was braucht es, damit eine kleine Stadt wie Zug eine solche Dichte gut ins Stadtbild integrieren kann?

Boltshauser: Zug ist eine schöne Stadt, welche das Potential hat, ihren Bewohnerinnen und Bewohnern noch mehr Vielfalt zu bieten als heute schon. Das LG-Areal hat Qualitäten, die es so in Zug noch nicht gibt. Ich habe deshalb keine Angst, dass die Zugerinnen und Zuger das nicht annehmen, denn das Projekt ist städtebaulich gut gestaltet und wenn die Investoren ihren eingeschlagenen Weg zu Ende gehen und insgesamt ein Areal mit hoher Qualität liefern, dann wird das ein Erfolg.