Verstückelung als Zeichen der Zeit - LG Zug

Verstückelung als Zeichen der Zeit


History Points auf dem Areal

Text: Michael van Orsouw

Titelbild: Arealplan von 1928 – Die Gubelstrasse besteht noch nicht, acht Grundeigentümer teilen sich das Gebiet auf.

Das ganze Areal gehörte einst einer einzigen Firma, der Landis & Gyr – heute sind es neun Grundeigentümer, die im Besitz der verschiedenen, grossen Parzellen im Perimeter des neuen Bebauungsplans sind. Das macht die Planung nicht einfacher, hat aber historische Gründe. Der Blick zurück erklärt da einiges und birgt so manche Überraschung.

Das LG-Areal ist eigentlich kein einheitliches Gelände, sondern besteht aus 16 Parzellen unterschiedlicher Grösse. Die Grundstücke innerhalb des Perimeters des neuen Bebauungsplans sind auf neun Eigentümer verteilt, nämlich Alfred Müller AG, Credit Suisse Funds AG, OVD Kinegram AG, Park Lane Zug AG, die Pensionskasse der Credit Suisse Group (Schweiz), SBB AG, Siemens Schweiz AG, Swiss Prime Site Immobilien AG und Thoba Immobilien AG. Noch komplizierter wird es, wenn auch Grundstücke hinzugezählt werden, die ausserhalb des Bebauungsplan-Perimeters liegen, dann kämen nämlich noch die rund 100 Eigentümer des Park Towers hinzu sowie die Einwohnergemeinde Zug. Der Stossseufzer ist durch die Telefonleitung zu vernehmen: «Hätte man damals die ganze Planung doch nur mit einem einzigen Eigentümer durchgezogen!» Harald Klein, der Stadtplaner von Zug, begleitet seit mehr als 30 Jahren die komplexen Planungsprozesse auf dem LG-Areal und kennt die Herausforderungen komplexer Gesamtplanungen mit vielen Eigentumsinteressen.

Bebauungsplan-Perimeter LG Zug. Quelle: Roadmap/Stadtmodell
Eigentumsverhältnisse 2023. Quelle: ZugMaps

Doch wer wusste schon, wie sich die Entwicklung dereinst fortsetzen würde? Zuerst befand sich die Landis & Gyr an der Hofstrasse, 1896 gegründet inmitten eines Villenquartiers. 1929 erfolgte der Umzug an die Gubelstrasse in der Nähe des Bahnhofs. Aber wer die Pläne von damals genau studiert, stösst auf eine Überraschung: Das zukünftige Fabrikareal war schon vor 1929 zerstückelt, es gab bereits zu dieser Zeit verschiedene Besitzer unterschiedlich grosser Parzellen des späteren LG-Areals. Auf dem Plan von 1928 (s. Titelbild) sind sie vermerkt: Fr. Wyss (Grafenau), Favre & Co., Alois Wyss, Johann Doswald (Metzger), SBB, Korporation Zug, Heimstätte-Genossenschaft sowie bereits die Landis & Gyr AG – es waren nicht weniger als acht Besitzer! Was der Plan auch noch zeigt: Die Gubelstrasse existierte noch gar nicht. Die Landis & Gyr war damals als Arbeitgeberin und Auftraggeberin so wichtig, dass sie innert kurzer Zeit alle Parzellen aufkaufen konnte. Fortan war sie alleine bestimmend, sie konnte nach eigenem Belieben planen und bauen.

Die Erweiterung des Geländes in Richtung Westen: die Errichtung des Bau 16 im Jahre 1965 an der Aabachstrasse. (Bild: LG-Archiv/Archiv für Zeitgeschichte)
Ein Blick 1966 auf das Gesamtareal vom Bahnhof aus: Auffallend sind die grossen Parkierflächen gegen die Gubelstrasse hin. (Bild: LG-Archiv/Archiv für Zeitgeschichte)
Die Erweiterung gegen Norden: Das Gebäude 17 von 1972 riegelte das Firmenareal gegen Norden ab. (Bild: LG-Archiv/Archiv für Zeitgeschichte)

Nach dem Umzug an die Gubelstrasse wuchs die LG-Bebauung im Areal-Viereck zwischen Gubel-, Aabach- und Feldstrasse kontinuierlich weiter, ganz den industriellen Anforderungen der Landis & Gyr entsprechend. 1987 verkauften dann die Erben des langjährigen Firmenleiters Karl H. Gyr, nämlich die Mitglieder der Familien Brunner-Straub-Mijnssen, ihre Anteile an den Unternehmer Stephan Schmidheiny. In der Folge setzte ein grosser Wandel ein, im ganzen LG-Konzern und deshalb auch auf dem Zuger LG-Areal. Weil der räumliche Eigenbedarf in Zug sank und die Stadtplanung 1994 neue Perspektiven ermöglichte, begann die LG-Immobilien AG, ihr Firmenareal anders zu betrachten: nicht mehr als Werkplatz für Zähler und Gebäudeleittechnik, sondern als wertvolle Ressource für eine wirtschaftliche Immobilienvermarktung. Der goldene Boden sollte die unter Druck geratene Industrie unterstützen, wenn nicht sogar retten.

So meinte der verantwortliche LG-Immobilienmanager Han P. M. Bullens 1994: «Die Immobilien-Fachleute dürfen sich nicht länger mit der Rolle als Verwalter begnügen, die den vom Unternehmen benötigten Raumbedarf bereitstellen und unterhalten, sondern müssen darüber hinaus Strategien entwickeln, um die Interessen und Werte des Unternehmers auch in diesem Bereich voll zur Geltung zu bringen.» Nur so sei es möglich, «diese Unternehmenswerte zu maximieren und auszuschöpfen». Ein erster Schritt war die Überbauung Grafenau auf der Brache südlich der Gubelstrasse. Der zweite Schritt geschah in der Folge im Kern des Areals, als der ursprüngliche Shedbau der Überbauung Opus wich.

Doch die Planung wurde von der Dynamik der einsetzenden Firmenverkäufe förmlich überrollt: 1995 verkaufte Schmidheiny seine Aktienmehrheit der Elektrowatt, die wiederum im Besitz der Credit Suisse war. 1998 erwarb die Siemens die industriellen Aktivitäten der Elektrowatt, also auch die Bestandteile der ehemaligen Landis & Gyr. Die Siemens fügte ihr eigenes Elektrizitätszählergeschäft mit der LG zu Siemens Metering zusammen.

Dann begann Siemens, Parzellen des LG-Areals Stück für Stück zu verkaufen – ein folgenreicher Prozess, der damals seinen Anfang nahm. Doch die Siemens blieb nicht lange als Zählerproduzentin in Zug: 2002 beschloss sie den Rückzug aus dem Zählergeschäft und verkaufte diesen Geschäftsbereich an die amerikanische Private-Equity-Gruppe Kohlberg Kravis Roberts & Co. Dabei bekam die Zähler-Division ihren alten Namen zurück und firmierte wieder unter Landis+Gyr, mit einem «+» statt dem ursprünglichen «&». Die Siemens behielt aber den Bereich Gebäudeleittechnik und damit auch diesen Produktionsstandort in Zug. Aber der LG-Zähler-Bereich ging zwei Jahre später an die australische Investmentgesellschaft Bayard Capital. 2011 folgte dann mit der japanischen Toshiba Corporation die nächste Besitzerin.

Das ganze Firmenmonopoly führte dazu, dass die Landis+Gyr zwar noch an der Theilerstrasse in Zug produzierte, aber nicht mehr in eigenen Immobilien firmierte. Sie war nunmehr Mieterin der Siemens. Deshalb zog die Landis+Gyr im Jahr 2019 nach Cham in die Städtlerallmend: «Wir haben uns schwergetan mit dem Schritt, aus der Stadt Zug wegzuziehen, weil wir hier heimisch sind», wird der LG-Sprecher in der «Zuger Zeitung» zitiert. Mit dem Umzug endete das Kapitel «Zug und Landis & Gyr» nach 123 Jahren. Doch die Spuren sind unübersehbar und geblieben.

Die Landis+Gyr-Strasse auf dem LG-Areal: Sie erinnert an vergangene Zeiten. (Bild: mvo)
Der Zählerweg: Er ehrt das Produkt, welches den Ort gross gemacht hat. (Bild: mvo)